demcoratize work!


Tristan Crampe
@lotharfrancois




Im Feld der Arbeit wird ein Widerspruch zwischen Kapitalismus und Demokratie deutlich. Während Bürger*innen als gleich in Würde und Rechten gelten sollten, wie es im ersten Artikel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte heißt, müssen sie sich in der Arbeitswelt häufig rigiden Hierarchien unterwerfen. Von ihnen wird in der Rolle der Arbeiter*innen nicht erwartet, dass sie sich als gleichberechtigte Akteur*innen wahrnehmen, obwohl sie einen Großteil ihrer Lebenszeit mit Arbeit verbringen. Eine Zeit, in der ihnen die Erfahrung von Selbstbestimmung und Teilnahme an demokratischen Prozessen größtenteils verwehrt wird und die sie nur sehr bedingt mitgestalten können.
         Was wir im Herzen unserer Gesellschaft sehen, sind autokratische Verhältnisse. Ein Führungsmonopol der Kapitalist*innen, die Rendite als obersten Punkt ihrer Agenda setzen und alle weiteren Angelegenheiten als nachrangig betrachten. Denn Macht im Unternehmen konstituiert sich durch eingebrachtes Kapital. Wer nach mehr Sinn in der neoliberalen Wirtschaftsordnung sucht, sucht vergeblich. Investiertes (Finanz-)Kapital vermehren, it’s that simple.
        Wo der Sinn relativ plump daherkommt, hat er doch so einige Gehirnzellen aktiviert, deren volle Leistung in die Frage des „Wie?“ fließt. Die Effizienzsteigerung dabei als oberste Maxime: Handle stets so, dass dein Handeln die Gewinne des Unternehmens und damit deinen eigenen Gewinn steigert. Dabei wäre es gar nicht so schwierig gewesen, ein bisschen weiter zu denken. Klar, Geld im Unternehmen ist wichtig. Aber ist Arbeitskraft nicht genauso wichtig? Und wird sie nicht von Arbeiter*innen investiert? Und sind diese nicht auch auf die umgebende Natur angewiesen, deren Ressourcen wir alle nutzen?

Neee, wo gespart werden kann, wird gespart. Ob am Lohn der Arbeiter*innen, Maßnahmen zum Klimaschutz oder Arbeitssicherheit. Alles, was den angestrebten Profit verschmälern könnte, wird möglichst unterbunden oder externalisiert.

        Trotz fortschrittlicher Beteiligungsformen der Belegschaft am Unternehmen durch beispielsweise Gewerkschaften und Betriebsräte (in ihrer Ausprägung in Deutschland übrigens einzigartig), haben die Arbeiter*innen auch hier noch keine Möglichkeit, Entscheidungen über die Ausrichtung, den Sinn der Unternehmen zu beeinflussen. Zwar stellt bei großen Unternehmen die Arbeiter*innenseite 50% der Vorstandsmitglieder, jedoch fallen Pattsituationen immer zugunsten der Kapitalseite aus, da sie die Vorstandsvorsitzenden auf ihrer Seite hat. (Ferreras, 74).
Wie sollen wir unter solchen Umständen eine demokratische, selbstbestimmte und gerechte Gesellschaft aufbauen, wenn die Arbeitswelt, einer der Grundpfeiler unserer Gesellschaft und Wirtschaft, alles andere als demokratisch, selbstbestimmt und gerecht organisiert ist? Wenn Menschen nicht füreinander und für ihre Umwelt, sondern für die Interessen der Finanzinvestor*innen und Kapitalist*innen arbeiten?

        Wenn ein Unternehmen in demokratischen Prozessen gestaltet wird, werden auch die Arbeitenden als Bürger*innen verstehen, dass das Unternehmen, für das sie arbeiten, eine positive Kraft in der Gesellschaft sein sollte. Wenn ein Unternehmen demokratisch geführt wird, liegt nicht nur die Entscheidung über die Verwendung des Gewinns und die Ausrichtung des Unternehmens in den Händen der Belegschaft, auch Entscheidungen über Arbeitszeit, Lohn, Berücksichtigung individueller Bedürfnisse und Ausrichtung des Unternehmens fallen jetzt einer heterogenen Belegschaft zu und müssen gemeinsam ausgehandelt werden. Durch die Auseinandersetzung mit und Aushandlung von verschiedenen Perspektiven und Standpunkten entwickelt sich im Unternehmen auch ein gemeinschaftlicher Prozess, in dem im Laufe der Zeit Differenzen seiner Mitglieder verarbeitet werden. (Sennett, 198)
Zum anderen kann das Unternehmen auch nach außen wirken, indem etwa der Gewinn des Unternehmens in gemeinnützige Stiftungen überführt und somit bestimmten Zwecken zugeschrieben wird (siehe Patagonia oder Bosch) oder Unternehmen im Verantwortungseigentum strukturiert werden (sogenannte Purpose Economy). Diese Wiedereinbettung der Wirtschaft in die Gesellschaft ist ein essenzieller Schritt für die Rettung unseres Planeten. Die Demokratisierung von Unternehmen könnte dabei die Interessen und Stimmen der Arbeitenden sichtbar machen und Unternehmensziele jenseits der Profitlogik etablieren.
        Darüber hinaus würden sich die Auswirkungen nicht nur in den Unternehmen zeigen, sondern auch außerhalb. Wenn Menschen in einem nicht unwesentlichen Teil ihres Lebens Selbstwirksamkeit erfahren und sich handlungsmächtig fühlen, wird es ihnen leichter fallen, sich als politische Akteur*innen wahrzunehmen und Ungerechtigkeiten außerhalb des Arbeitsplatzes nicht als Normalzustand wahrzunehmen. (Ferreras, 39)

        Wenn wir unsere Lebensgrundlage schützen wollen, braucht es eine ökologische und sozial-nachhaltige Wirtschafts- und damit auch Arbeitsweise.



Ferreras, I. (2022). Democratize Work - The Case for Reorganizing the Economy

Sennett, R. (1997). Der flexible Mensch - Die Kultur des neuen Kapitalismus